Podcast Sarah BurriniAnastasia Neumann

Wir freuen uns Ihnen heute ein weiteres Highlight unserer Podcast-Reihe präsentieren zu dürfen. Sarah Burrini, Autorin und Zeichnerin des Webcomics “Das Leben ist kein Ponyhof”, spricht über die Entwicklung der Webcomics in Deutschland, zieht Vergleiche zu Amerika und zeigt, warum auch das Leben als Webcomiczeichner nicht unbedingt der Ponyhof ist, den man gerne hätte. Zumindest was das Finanzielle angeht.

Im Anschluss an Ihren Vortrag stellte Sarah Burrini sich noch einer Fragerunde im Plenum.

Frau Burrini, wie stehen Sie zum Begriff Graphic Novel?

SB: Zunächst einmal möchte ich erwähnen, dass ich generell eher diplomatisch veranlagt bin und nur ungern generalisiere. Die Kennzeichnung Graphic Novel hat für mich den herausragenden Vorteil, dass dieser Begriff es scheinbar schafft, Comics für ein womöglich eher skeptischeres Publikum – und vor allem auch für die Presse – attraktiver zu machen. Allerdings habe ich das Gefühl, dass mit diesem Begriff viel zu inflationär umgegangen wird und teilweise Comics den „Graphic-Novel-Aufkleber“ erhalten, die eigentlich gar keine sind. Dies bringt das Risiko mit sich, dass im Zuge dieser Bewegung womöglich auch der Graphic Novel das trashige Image – mit dem „normale“ Comics ja oft zu kämpfen haben – angehängt wird. Vorurteile gegenüber Comics werden damit zu Vorurteilen gegenüber Graphic Novels. Und das ist offensichtlich nicht der Sinn der Sache! Um meiner Meinung nach aber wirklich nachhaltig zu arbeiten, müsste man das antiquierte Bild von Comics als Trash bearbeiten, bzw. auch einmal darüber nachdenken, was Trash überhaupt ist und ob es immer etwas Schlechtes sein muss. Alles in Allem bezweifle ich aber, dass der Begriff Graphic Novel mehr als ein vorrübergehender Hype ist. Und selbst der vorhin erwähnte Vorteil tritt nicht immer ein. Oft werden bestimmte Graphic Novels von der Presse gelobt, bleiben aber ein Ladenhüter. FAZ heißt scheinbar nicht immer gleich Bestseller. Also sollte man sich nicht auf ein neues Gewand verlassen, sondern lieber dafür sorgen, das alte wieder schätzen zu lernen.

Sie hatten in Ihrem Vortrag von den finanziellen Problemstellen von Webcomic-Zeichnern gesprochen. Nun gibt es ja aber auch einige Beispiele von Webcomics, die zu Printversionen wurden. Wie sehr hat man als Comic-Zeichner beim Designen von Webcomics bereits eine mögliche Printversion im Hinterkopf? Ist das tatsächlich schon von Anfang an ein Thema oder versucht man das erst einmal vollständig auszublenden und gar nicht an die Finanzen zu denken?

SB: Also ich glaube, das unterscheidet sich von Künstler zu Künstler extrem. Es gibt Leute wie mich, die nur zum Spaß angefangen haben und andere, die den Print von Anfang an vor Augen hatten. Es ist natürlich auch kein unwichtiger Aspekt, dass man durch Print zur Abwechslung auch wirklich einmal Kohle sieht. Aber bei dem von mir im Vortrag erwähnten Daniel Lieske (Wormworld Saga) bin ich mir z.B. sicher, dass er zunächst nicht an eine Printversion gedacht hat, weil er einfach mit dieser Form der Publikation nicht zufrieden war. Es mussten erst sehr viele Verlage an ihn herantreten bis er schließlich einer Printversion zugestimmt hat. Es gibt also auf der einen Seite Leute, die konkret auf eine Printveröffentlichung hinarbeiten und ihre Webcomics als Vorveröffentlichungen betrachten und dann gibt es andere, die alle Reize eines Webcomics ausnützen und sich nicht von diesem Medium lösen wollen oder können, weil sie eben mit Animationen und dergleichen arbeiten, die eine Printversion nicht bieten kann.

Eine weitere Frage zur Finanzierung – Stichwort Crowdfunding: Merkt man auch im Bereich Comic, dass das zunehmend ein Thema wird?

SB: Ich denke ja. In Deutschland ist man angesichts des Themas allerdings noch eher verhalten, was daran liegt, dass viele an der Kompetenz von Startnext zweifeln und man für Kickstarter aber eine amerikanische Postadresse braucht. In den USA ging das Crowdfunding für Comics aber durch die Decke! Order oft the Stick ist z.B. eigentlich ein schon sehr alter Webcomic, der z.T. nur aus Strichmännchen besteht, es aber geschafft hat für einen Reprint, also lediglich eine Neuauflage, eine Million US-Dollar einzusammeln. Und gerade da sieht man, dass eine treue Leserschaft, die einen unterstützen möchte, sich sehr bezahlt machen kann. Hier in Deutschland hat das im Cartoon-Bereich Joscha Sauer versucht und für seine Cartoon-Serie Nicht lustig 250.000 € eingesammelt. Aber da hat man schon gesehen, dass es unheimlich viel Mühe und PR gekostet hat dieses Geld an Land zu holen, obwohl Joscha Sauer eigentlich ein bereits sehr bekannter Cartoonist ist. Es gibt daher auch nicht so viele Indie-Projekte, die sich ans Crowdfunding wagen und mir würden sogar spontan einige einfallen, die daran gescheitert sind. Wenn man es machen möchte, braucht man eben einfach eine richtig gute Idee und vor allem auch ein sehr gutes Finanzierungskonzept. Und ich kann zwar nicht für alle sprechen, aber ich als Comiczeichnerin kenne mich mit betriebswirtschaftlichen Dingen zum Beispiel nicht sehr gut aus. Da wäre es also vielleicht von Vorteil und ein guter Tipp sich Hilfe von außen zu holen, wenn man so etwas ins Auge fasst.

Liebe Frau Burrini, herzlichen Dank und noch viel Erfolg weiterhin!

[Die Fragen an Frau Burrini wurden von dem Projektteam gestellt.]

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