Kafka von Mairowitz und Crumbadmin

Eine Rezension von Paddy Schmidt

Anfang der 1990er Jahre schlug der Verlag Icon Books dem Autor David Zane Mairowitz vor, eine Comic-Biographie samt der Umsetzung einiger der wichtigsten Werke Franz Kafkas anzufertigen. Dass Mairowitz als Autor eine gute Wahl gewesen sein dürfte, zeigt nicht nur der Erfolg des Comics, der in viele Sprachen übersetzt und in Deutschland 2013 wieder beim Verlag Reprodukt neu aufgelegt wurde, sondern auch die von ihm nach gleicher Art angefertigten Comics zu Wilhelm Reich und Albert Camus.

Mairowitz dürfte auch nicht zuletzt deswegen auserkoren worden sein, da er durch seine Umsetzungen von Literatur in Hörspiele und Aufführungen darin erprobt war, große Romane zu verknappen, dabei aber deren wesentliche Merkmale nicht außer Acht zu lassen. Als Kafka-Anhänger outete sich Mairowitz in Deutschland spätestens im vergangenen Jahr, als neben der Neuauflage des hier besprochenen Comics auch ausführliche Comic-Umsetzungen von Der Process und von Das Schloss aus seiner Schreibfeder auf deutsch erschienen sind.

mairowitz-crumb-selbstportrait-seite165Mairowitz und Crumb (Selbstporträt)

Für den Kafka-Comic wandte er sich an den Zeichner Robert Crumb (Fritz the Cat), der von dem Projekt sofort begeistert war. Crumb, der sich oftmals als klein und zitternd neben kräftigen Frauen mit ausladenden Hinterteilen darstellte, hat ähnliche Ängste vor Frauen wie Franz Kafka. Dieser wird in der Graphic Novel mit folgenden Worten zitiert: „Die Frauen sind Fallen, die den Menschen von allen Seiten belauern, um ihn in das Nur-Endliche zu reißen“ (S. 127).

Die Mischung aus Biographie, Geschichtsstunde und Kritik an der postumen Vermarktung Kafkas, in die Umsetzungen der wichtigsten Werke Kafkas ins Comic-Format eingepflegt werden, ist thematisch recht einzigartig für eine Graphic Novel, weiß allerdings zu überzeugen. Vor allem die ersten Seiten wie auch das sogenannte Nachwort bestehen aus größeren Abschnitten „herkömmlichen“ Textes, der mit Crumbs Zeichnungen bebildert wird, und vermitteln so viele Informationen zu Kafka, der Forschung und Rezeption. Zwischen den biographischen und ergänzenden Informationen werden Adaptionen einiger bekannter Werke Kafkas eingeschoben und in Bezug zu Kafka und seinem Leben gesetzt, was sehr geschickt geschieht und das Gesamtwerk Kafka noch interessanter macht. Zu den Umsetzungen gehören Das Urteil, Die Verwandlung, Der Bau, In der Strafkolonie, Der Prozess, Das Schloss, Ein Hungerkünstler und Der Verschollene. Diese sind allesamt sehr gut gelungen und schaffen einen beachtlichen Spagat: Die Essenz der Geschichten bleibt erhalten, die Stimmung ist beklemmend-bedrohlich wie in den Originaltexten. In nur wenigen Panels werden die Vorlagen auf das Wesentliche reduziert, und doch hat man den Eindruck anschließend auch über die Werke, die man noch nicht kannte, bestens informiert zu sein.

Natürlich muss bei einer Comic-Umsetzung in diesem Rahmen großzügig gekürzt werden. So wird der Rezipient die ein oder andere Stelle eines Originals, die ihn besonders beeindruckt oder berührt hat, vermissen müssen. Auch bleibt daher nicht aus, dass man als Leser nicht mit jeder Entscheidung des Autors einverstanden sein kann. So könnte beispielsweise irritieren, dass in Das Urteil an der Stelle, an der Georg zu seinem Vater sagt „Du hast mir also aufgelauert!“ (S. 34), die in der Vorlage folgende mitleidige Replik „Das wolltest du wahrscheinlich früher sagen. Jetzt paßt es ja gar nicht mehr“ fehlt, die stark in der Wandlung des Vaters vom Schwächeren der beiden zum sehr viel Stärkeren unterstützend mitwirkt. Da aber auch die vorangehenden Worte des Vaters – „Seit Jahren passe ich schon auf, daß du mit dieser Frage kämest! [...]“ – fehlen, bleibt die Frage, wieso sich Mairowitz für diesen Satz als Quintessenz der Szene entschieden hat.

Nichtsdestotrotz handelt es sich bei Kafka um eine wunderbare, lesenswerte Graphic Novel. An den biographischen und geschichtlichen Umrahmungen der Literatur-Umsetzungen kann man nur schwerlich etwas aussetzen. Auch wenn Mairowitz sich über die Metamorphose Kafkas zum Adjektiv auslässt (S. 5), sei angemerkt, dass die Bilder Crumbs hervorragend zum Inhalt passen und die kafkaeske Stimmung wunderbar einfangen.

Zwar ist direkt ersichtlich, dass das Zusammenspiel von Text und Bild nicht nur bei den biographischen und sonstigen Erläuterungen prima funktioniert, sondern auch bei der Verwirklichung einer Geschichte als Comic – es kann doch gesagt werden, dass eine derartige Verknappung dieses Textes nicht ohne Bilder funktionieren würde. Und vielleicht sogar nicht ohne die Bilder Robert Crumbs.

Literatur:

Mairowitz, David Zane/ Crumb, Robert: Kafka. Reprodukt, 2013.

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