Das ‚geflügelte Wort‘ in Flix’ Faustadmin

von Julia Götzl

Monika Schmitz-Emans beschreibt die Geschichte des Faust-Stoffs als Bildergeschichte, da es neben einer Vielzahl an literarischen Bearbeitungen auch zahlreiche Illustrationen zum Text bzw. zu einzelnen Figuren gibt (Schmitz-Emans 2012, S.296). Flix’ Faust verbindet die textliche mit der bildlichen Darstellungsebene und verlegt die Handlung nicht nur in die Gegenwart, sondern auch in die Wahlheimat des Autors Felix Görmann, nach Berlin. Dort jobbt Heinrich Faust nach der erfolglosen Beschäftigung mit verschiedenen Studienfächern als Taxifahrer und wird von seinem vormals besten Freund Wagner, einem querschnittsgelähmten Schwarzen, tyrannisiert. Er verliebt sich in die türkische, nicht streng gläubige Muslima Margarete, noch bevor Mephistopheles – im Text Meph genannt – in sein Leben tritt. Neben einigen Verweisen auf Schauplätze aus Goethes Faust, zum Beispiel die  Eckkneipe namens „zum Studierzimmer“ (Flix, S.16) oder die Edelboutique „Witch kitchen fashion“ (Flix, S.46), finden sich auch einige Zitate aus Faust I, die inzwischen als ,geflügelte Worte’ gelten. Dies erweist sich als besonders bedeutungsvoll, da Flix bei seiner Comic-Adaption nur selten direkt aus dem Drama zitiert. Der größere Wiedererkennungswert dieser Wendungen ermöglicht ein Spiel mit den Erwartungen des Lesers, der den Prätext kennt. Das folgende Beispiel entstammt dem Teufelspakt aus der Szene Studierzimmer:

„Werd’ ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zu Grunde gehn!“ (Goethe, V. 1699 – 1702)

Bei Flix hingegen sieht und liest man in dem entsprechenden Panel auf Fausts Frage nach dem Haken des Vertrags folgendes:

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Das Panel zeigt Faust mit Meph, der einen umfangreichen Block mit der Aufschrift Pakt in den Händen hält. Dieser befindet sich relativ mittig zwischen den beiden Figuren und fungiert als Blickfänger. Der Text steht in einer Sprechblase, deren unteres Ende die Bildebene durchdringt, da die Köpfe in sie eindringen, und deren Ventil Meph als Sprecher kennzeichnet. Nach Scott McCloud entspricht das Panel der textlastigen Verbindung von Sprache und Bildern (McCloud, S.161), die entsprechend auch ohne die Illustration verstanden wird.

Die Bedeutung des beschriebenen Bildes ergibt sich aus dem Adaptionscharakter dieses Comics, denn es verweist auf den Pakt mit dem Teufel, den Faust bei Goethe mit all seinen Konsequenzen eingeht, während der vor allem auf der Textebene wirkende Vertragscharakter bei Flix diesen Akt schon beinahe zu einer Lappalie degradiert, die auf Grund der ‚Schummelei‘ Gottes und der Bürokratisierung des Himmels keine weitreichenden Folgen zu haben scheint. Die zweite Erwähnung der Sentenz, die sich auf keine Stelle der Vorlage bezieht, findet sich in einem breiten Panel, das den Morgen nach dem ersten misslungen Annäherungsversuch an Margarethe zeigt.

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Fausts Entrüstung und Wut wird sowohl durch die fettgedruckten Passagen des Textes als auch durch dessen Mimik und Gestik ausgedrückt. Die Speedlines zwischen den fünf Visualisierungen Heinrichs in einem einzigen Panel verdeutlichen seinen emotional aufgewühlten Zustand und betonen die körpersprachlichen Erscheinungen. Vor allem die Hände sind großen Bewegungen unterworfen; Fausts linke Hand verdeckt teilweise die Sprechblase, in der „Verweile doch, du bist soooo schön!“ (Flix, S.54) zu lesen ist. Durch die räumliche Trennung zum Text der vorhergehenden Sprechblase wird der Eindruck verstärkt, dass es dem Protagonisten nun unmöglich scheint, Margarethes Herz zu erobern. Der schwarze Hintergrund des Panels – für die alleinige Darstellung Fausts unüblich – entspricht ebenfalls seinem Gemütszustand, wohingegen die korrelative Text-Bild-Verbindung Ironie erzeugt, denn die Bilder persiflieren Fausts Worte. Das untersuchte ,geflügelte Wort’ aus Goethes Faust wird von Flix an beiden Stellen durch die Verbindung von Sprache und Bildern abgebildet, die den Text in den Vordergrund stellt, so dass die Sentenz ohne die dazugehörige Bildebene verstanden werden kann. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wird sichtbar, welche Eigenleistung in der Transformation einer literarischen Vorlage durch das Medium des Comics steckt. Denn dort, wo „bereits der Text den ‚Inhalt‘ umreisst, […] stehen den Bildern alle Türen offen“ (McCloud, S.167). Zusätzlich zur Veränderung des Settings werden durch die Visualisierungen und Illustrationen neue Schwerpunkte gesetzt. Der deutlich humoristische Ansatz wirkt durch die Parodie der deutschen Gesellschaft und Medienlandschaft (Schmitz–Emans, S.338f.) ebenso wie durch die besonders der Bildebene geschuldeten Situationskomik. Kenntnisse des Originals verstärken diese und zeigen unterschiedliche Nuancen bei der Bearbeitung eines Stoffes auf, die über die Literatur hinaus auf den jeweiligen Zeitgeist referieren. Somit erweist sich der gelungene Literatur-Comic auch als Deutung seiner Vorlage, der auf Grund der zusätzlichen bildlichen Darstellungsebenen verschiedene Interpretationsweisen spielerisch in sich vereint.

Quellen:

Flix: Faust. Der Tragödie erster Teil. Hamburg 2010.

Goethe, Johann Wolfgang von / Gaier, Ulrich [Hrsg.]: Faust. Erster Teil. Stuttgart 2009.

McCloud, Scott: Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst. Hamburg 2001.

Schmitz-Emans, Monika: Literatur-Comics. Adaptionen und Transformationen der Weltliteratur. Berlin 2012.

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